Der Bergmeister
Johann Rudolf Pagenstecher wurde am 3. März 1808 als eines von 7 Kindern des Pastors Christoph Bernhard Pagenstecher in Neuenkirchen bei Melle geboren. Er besuchte das Ratsgymnasium in Osnabrück und studierte an der Bergakademie Clausthal (Harz).
Zum 1. April 1831 wurde Pagenstecher an der Kohlenzeche des Piesberges angestellt. Als Pagenstecher seine Stelle antrat, war der Piesberg eher ein unbedeutender Bergwerksbetrieb. Die Kohlen wurden noch aus waagerecht in den Berg gegrabenen Stollen zu Tage gefördert.
Unter Pagenstecher lebte der Bergwerksbetrieb vor den Toren Osnabrücks jedoch auf. Er begann gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit Arbeitsvorgänge zu rationalisieren, schloss mehrere Stollen zu einem Verbund zusammen, legten den ersten Tiefstollen an, schuf Lagerstätten für die verschiedenen Kohlensorten und eine Verladestelle. Die Stadt Osnabrück als Eigentümerin des Piesbergs war auf das Können des Bergmeisters Pagenstecher angewiesen, so dass Pagenstecher erst am 1. Juli 1879 in Pension gehen konnte.
Unter Pagenstecher war der Piesberg von einem primitiven Kleinbetrieb mit anfangs 63 Kohlenbrechern zu einem Industriebetrieb mit fast 1.500 Arbeitskräften angewachsen.
Der Fabrikant
Auch ausserhalb seiner Beschäftigung am Piesberg war Johann Rudolf Pagenstecher ein umtriebiger und erfolgreicher Unternehmer. So betrieb er am Fuße des Piesbergs eine Zementfabrik, in der der zur Errichtung der vielen Arbeiterwohnungen erforderliche Zement hergestellt wurde. Nach Anschaffung einer Dampfmaschine wurde auch ein Sägewerk betrieben, in dem die für das Bergwerk erforderlichen Holzstempel sowie weiteres Bauholz hergestellt werden konnte.
Der Colon und Lehrmeister
Aufgrund seiner erfolgreichen wirtschaftlichen Tätigkeiten konnte Pagenstecher auch in der Ortschaft Lechtingen den Hof Willwisch übernehmen, der immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Auch wenn der „lutherische“ Pagenstecher bei den ansonsten „katholischen“ Grundstücksbesitzern anfangs nicht gerne gesehen war, verschaffte sich Pagenstecher mit der Zeit doch Respekt bei den übrigen „Colonen“. Auf Grund der an der Akademie erworbenen geologischen Kenntnisse, des Studiums wissenschaftlicher Fachschriften und eigener praktischer Erfahrungen konnte er Vielen, ob Hofbesitzer, Heuermann oder Neubauer, durch Rat und Tat bei der Lösung der Probleme helfen.
Zusammen mit seinem Hofnachbarn Mosting zog er über die Dörfer, gründete landwirtschaftliche Vereine und hielt in Versammlungen Vorträge über neue Wege zur Intensivierung der Landwirtschaft.
Im Jahre 1849 gründete Pagenstecher zur Ausbildung der jungen Bauernsöhne die erste landwirtschaftliche Ganztagsschule des Osnabrücker Landes.
Der Erbauer der Mühle
Pagenstecher hatte viele seiner Arbeiter aus dem Piesberg ermuntert sich in Lechtingen als sogenannte „Neubauer“ niederzulassen. Für diese kleinen landwirtschaftlichen Betriebe waren die bereits bestehenden Mühlen in Rulle und Hollage schwer zu erreichen. Aus diesem Grund entschloss sich Pagenstecher noch im Alter von 78 Jahren auf seinem Gelände eine Windmühle zu errichten. Am 7. Oktober 1886 stellte er in einer umfassenden Schrift beim Landkreis den Antrag auf Genehmigung des Mühlenbaues und einer Müllerwohnung.
Die Erteilung der Baugenehmigung machte keine größeren Schwierigkeiten. Bedenken gab es bei der Behörde lediglich um den Abstand der Mühlenflügel von dem verbeiführenden Wege, der damals noch ein schmaler Feldweg war. Nach dem Gesetz war ein Abstand vom Wege bis zu den Flügeln von 70 m vorgeschrieben; nach dem eingereichten Bauantrag betrug der Abstand jedoch nur 25 m. Nachdem Pagenstecher nachgewiesen hatte, dass bei anderen neu erbauten Mühlen im Osnabrücker Land noch geringere Abstände genehmigt worden waren und der Landrat Grote sich persönlich von der Gefahrlosigkeit des Weges überzeugt hatte, wurde der gesamte Plan von dem Regierungspräsidenten am 4. November 1886 genehmigt und am 1. Dezember 1887 nach einer Bauzeit von nur 1 Jahr die Betriebserlaubnis erteilt. Als einzige Auflage wurde dem Erbauer die Verpflichtung auferlegt, an der Wegstrecke, die nicht an Ackerflächen entlang führte, eine 2 m hohe Tannenhecke anzulegen und sie ständig in gutem Zustand zu halten.
Pagenstecher hatte auch vor, mit der Windmühle seine Ackerflächen in der Nähe der Mühle durch eine unterirdische Dränageanlage zu bewässern. Dass er diese Dränage noch verwirklich hat ist allerdings unwahrscheinlich. Jedenfalls gibt es weder einen Hinweis auf einen Abfluss von dem vorhandenen Brunnen zu den benachbarten Ackerflächen, noch Dränagerohre in den Äckern.