Da beißt die Maus keinen Faden ab: Ein Besuch im Wallenhorster Mausefallen-Museum
Wallenhorst, Montag 04. Januar 2023
Neue Osnabrücker Zeitung – Ausgabe Wallenhorst, Belm und Bissendorf
Autor: Hendrik Steinkuhl
Fotograf: Hendrik Steinkuhl
An der Lechtinger Mühle steht das vielleicht ungewöhnlichste Museum der Region: In einer alten Trafostation präsentiert der Wallenhorster Wolfgang Himmel Mausefallen aus aller Welt – und das auf nur fünf Quadratmetern. Alles begann mit einem Diebstahl, und dann beklaute der Mann mit dem Nachnamen Himmel auch noch die Kirche. „Ich war auf Kreta an einem Kloster, und da gehe ich ja gerne mal in den Hinterhof.“ Dort fand der Besucher aus Wallenhorst einen Hühnerstall – und eine Mausefalle, die offenbar ein Klosterbruder gebaut hatte. „Die habe ich einfach mitgehen lassen.“ Ein schlechtes Gewissen hat Wolfgang Himmel deshalb nicht. „Ach, die Mönche haben ja genug Zeit, um neue zu bauen.“
Keine Lust auf Briefmarken gehabt
Männer müssten ja immer irgendetwas sammeln, sagt Wolfgang
Himmel. „Und ich hatte keine Lust auf Briefmarken oder Bierdeckel.“ Also wurden
es Mausefallen. Mindestens 20 Jahre ist es her, dass Himmel seine Sammlung auf
Kreta mit einem Diebstahl eröffnete. Die Tat ist zumindest rechtlich längst
verjährt, und die Gemeinde Wallenhorst, die Wolfgang Himmel unlängst für sein
ehrenamtliches Engagement mit dem Stein des Anstoßes ausgezeichnet hat,
profitiert davon – denn aus einer Mausefalle wurden viele, und die sind seit
2013 in der alten Trafostation an der Lechtinger Mühle zu besichtigen. Aber wie
gelingt es, weit über hundert Mausefallen auf fünf Quadratmetern Grundfläche
auszustellen? Für Wolfgang Himmel, der viel mit Metall arbeitet und unter
anderem die vor der Lechtinger Mühle stehende Don-Quijote-Skulptur geschaffen
hat, war die Lösung klar: Wir bauen einen Paternoster. Gemeinsam mit Heinz
Rölker vom Mühlenverein fertigte er aus Industrieketten und Zahnrädern einen
Aufzug, der sich über zwei Stockwerke des Trafo-Turmes erstreckt. Daran
befestigt sind insgesamt zwölf Tafeln, auf denen Wolfgang Himmel die
Ausstellungsstücke fixiert hat. „Ich dachte, wenn wir schon in der Fläche nicht
viel Platz haben, nutzen wir doch den Platz in der Höhe.“ Beim flüchtigen Blick
über die Wände der alten Trafo-Station und die ersten Tafeln, die Wolfgang
Himmel herunterkurbelt, wird schnell deutlich: Die in Deutschland wohl am weitesten
verbreitete Variante dominiert. „Ja, das Prinzip Schnappfalle hat sich weltweit
durchgesetzt“, sagt der Experte. „In den Baumärkten gibt es die meist im
Zweierpack, die sind am effektivsten – aber es sind natürlich Totschlagfallen.“
Die Kinder wollen wissen ob Mäuse beißen können
Meist sind es Kinder, oft Schulklassen, die sich das Mausefallenmuseum
an der Lechtinger Mühle anschauen. „Die häufigste Frage der Kinder ist,
ob Mäuse beißen können.“ Können sie, aber dass es dazu kommt, sei
natürlich reichlich unwahrscheinlich, erklärt ihnen Wolfgang Himmel
dann. Dass die Mäuse mit den meisten Fallen besonders effektiv getötet
werden, erklärt Himmel den Kindern auch – wirbt dann aber für
Lebendfallen. „Schon allein deshalb, weil die Mäuse sonst dem
natürlichen Kreislauf entnommen werden, wo sie als Nahrung gebraucht
werden, zum Beispiel für Turmfalken oder Eulen.“ Um dieses Anliegen auch
vor Ort zu dokumentieren, haben die Mitglieder des Mühlenvereins in die
alte Trafo-Station zahlreiche Nistmöglichkeiten eingebaut. Auf den
Schautafeln dominiert das Material Holz, ergänzt um Metall, das meist
für den Tötungsvorgang verantwortlich ist. Zu den wenigen Ausnahmen
gehört ausgerechnet das Modell Svenska, die Heimat Astrid Lindgrens
präsentiert sich mit einer schnöden Plastikfalle, die aber immerhin in
den Landesfarben gehalten ist. Dem Tier dürfte das egal sein, nach
Vorführung der Schnappfalle durch Wolfgang Himmel ist klar: Da kommt die
Maus nicht lebend raus.
Schnappfallen und Wasserfallen
Apropos: Woher kommt eigentlich die Redewendung „Da beißt die Maus keinen Faden ab“? „Das kommt vermutlich von den Würgefallen“, sagt Wolfgang Himmel und zeigt ein Exemplar, das gleich für mehrere Tiere ausgelegt ist. Um an den Köder zu gelangen, muss die Maus einen dünnen Faden durchbeißen, und sobald das erledigt und die Belohnung in Reichweite ist, zieht sich die Schlinge zu. Ein französisches Würgefallen-Modell, das Wolfgang Himmel aus Nancy mitgebracht hat, trägt ehrlicherweise den Namen des Teufels: Lucifer. Bei der Entwicklung von Fallen für die verhassten Plagegeister waren die Menschen immer kreativ. Am 27. Juni 1899 wurde die Mausefalle in Großbritannien von James Henry Atkinson patentiert, und seitdem entstanden nicht nur die erwähnten Schnappfallen und Würgefallen, sondern auch Klotzfallen, Schlagfallen oder eine Wasserfalle, in der zahlreiche Mäuse jämmerlich ertrinken können. Wolfgang Himmel zeigt ein solches technisch wirklich ausgereiftes Modell, bei dem das Tier über mehrere Wippen läuft, ein Rohr hinaufklettert und dann in sein Unglück stürzt. Bei dieser Falle, die Himmel vom Bodensee hat, kann der Tierfreund allerdings auch das Wasser weglassen und die Maus oder gleich mehrere Mäuse lebendig fangen. „Wenn ich auf Reisen bin, gehe ich immer in Baumärkte, um neue Fallen zu entdecken“, erzählt Wolfgang Himmel, während er weiterkurbelt. „Und auf Hinterhöfen in den Altstädten, da findet man die besten Fallen.“ Bei der Auswahl seiner Ausstellungsstücke ist Himmel nicht dogmatisch, mal findet sich eine metallene Falle aus Venedig, die nur als Zettelhalter gedacht ist, dann sieht man eine spanische Vogelfalle. „Die habe ich auf einem Flohmarkt entdeckt.“ Viele der Fallen hat Himmel auch gar nicht selbst gekauft oder von Mönchen mitgehen lassen; mittlerweile hat sich seine Sammel-Leidenschaft herumgesprochen, und man bringt ihm Mausefallen mit. So wie das Monstrum aus Japan, das er jetzt vorzeigt. „Das ist eigentlich eine Rattenfalle – mit zwei Eingängen“, erklärt Himmel. „Ratten haben eine Hierarchie. Die untenstehende Ratte geht hier rein, kommt aber nicht zurück. Die höherstehende Ratte sieht, dass der Köder nicht vergiftet ist, weil die erste Ratte noch lebt, dann geht sie durch den anderen Eingang hinterher, und man hat beide Ratten.“
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Wolfgang Himmel setzt Gefangene im Wald aus
Am Ende einer interessanten Führung durch über hundert Jahre Mausefallen-Geschichte drängt sich natürlich noch eine Frage auf: Wie fängt Wolfgang Himmel selbst die lästigen Nager? „Natürlich mit einer Lebendfalle!“ Zweimal pro Woche schaut er auf dem Dachboden nach, deponiert aber nach eigener Aussage so viel Futter in der Falle, dass die Maus locker drei Tage überleben kann. „Und dann fahre ich in Wallenhorst in den Witten Wald und setze sie dort aus!“