Info-Zentrum an Lechtinger Mühle
Wallenhorst, 16.07.2022
Artikel aus der Neuen Osnabrücker Zeitung – Ausgabe Wallenhorst, Belm und Bissendorf
Sie sind ein im wahrsten Sinne des Wortes typisches Stück des Osnabrücker Landes: Sogenannte Plaggenböden, die auf mittelalterliches Landwirtschaften zurückgehen. Die Lechtinger Mühle in Wallenhorst rückt sie nun in den Fokus.
Wie lässt sich Landwirtschaft auf Böden betreiben, die trotz großer Anstrengung nur geringe Erträge einbringen? Mit dieser Frage sahen sich die Menschen des 12. Jahrhunderts konfrontiert, die auf dem Gebiet des heutigen Osnabrücker Landes lebten.
Abhilfe schuf eine Form der Landnutzung, die einen tiefen landwirtschaftlichen Umbruch bedeutete, die Landschaft für Jahrhunderte prägen sollte – und nun im Mittelpunkt eines Umweltprojekts steht: In der Lechtinger Mühle ist ein Informationszentrum zur sogenannten Plaggenwirtschaft eröffnet worden.
Was das ganze mit der „Plackerei“ zu tun hat
Leicht verständlich, insbesondere für Kinder und junge Erwachsene, leistet das Projekt einen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Nicht zuletzt geht es darum, die zunehmende Bedeutung von intakten, fruchtbaren Böden für eine nachhaltige Landwirtschaft zu verdeutlichen – dazu erfahren die Besucher, dass die noch heute geläufige „Plackerei“ sich von der Bewirtschaftungsform ableitet.
An der Eröffnung nahm auch Landrätin Anna Kebschull teil. „Das neue Zentrum stellt eine in Europa nur in Nordwestdeutschland anzutreffende historische Form der landwirtschaftlichen Nutzung dar. Die Auswirkungen sind bis heute insbesondere im Osnabrücker Land sichtbar und über Straßen- und Flurbezeichnungen sowie Familiennamen hörbar. Der Natur- und Unesco-Geopark Terravita greift mit der neuen Ausstellung ein kulturhistorisches, landschaftsbildprägendes und identitätsstiftendes Alleinstellungsmerkmal der Region auf und vermittelt dies auf unterhaltsame und informative Art und Weise“, sagte Kebschull.
Vom Dünger überm Roggen zu den Mühlen
Hintergrund der Plaggenwirtschaft waren das mittelalterliche Bevölkerungswachstum und der damit verbundene größere Nahrungsmittelbedarf. Deshalb wurden auch sandige, wenig fruchtbare Böden für den Anbau genutzt. In einem langwierigen Verfahren wurde organischer Dünger entwickelt, dessen Grundstoff der sogenannte Plaggen war.
Der Dünger wurde auf den sandreichen Ackerflächen ausgebracht und ermöglichte den Anbau von Roggen über längere Ernteperioden. Der „ewige Roggenanbau“ führte wiederum zu einer Verbreitung zahlreicher Mühlen im Osnabrücker Land, die das Korn verarbeiteten – darunter die Windmühle in Lechtingen, die jetzt Standort des Informationszentrums ist.
Plaggenböden sind zukunftsfest
Es geht auf die Initiative des Hochschulprofessors Klaus Mueller zurück, der 2009 die Idee hatte, in Lechtingen auf diese Weise auf die Plaggenwirtschaft und ihre Bedeutung aufmerksam zu machen. Ein erstes Konzept erstellte Sonja Ballmann 2010 im Rahmen einer Masterarbeit. Hintergrund ist, dass die Plaggenböden auch heute noch vielfältige und bedeutende Funktionen in der Region haben. Sie sind wichtiger Lebensraum für die Wurzeln von Pflanzen und Tiere, ermöglichen eine gute Wasser- und Nährstoffspeicherung, sind CO2-Senken, wenig anfällig für Bodenerosionsereignisse, puffern Schadstoffeinträge und archivieren archäologische Funde.
Aufgrund dieser hohen Bedeutung als Boden und als historische Kulturlandschaft griff Terravita unter Federführung von Sabine Böhme das Konzept eines Plaggeneschzentrums wieder auf.
Die Lechtinger Mühle erläutert nicht nur die Plaggenwirtschaft, sondern vermittelt mit lokalen Akteuren die Kulturgeschichte der Region, die Bedeutung der Mühlenwirtschaft sowie die Produktion lokaler, nachhaltiger und ökologischer Produkte.