Vielleicht ist es Ihnen bereits aufgefallen, seit einiger Zeit ist die Mühle nicht mehr lauffähig. Nicht nur die großen Flügel können sich nicht drehen, auch die kleine Windrose ist festgesetzt. Dies kommt aber nicht daher, weil kein ausreichender Wind vorhanden war. Die Mühle wurde von uns mit Spanngurten gesichert, da es einen Schaden in der Kappe gegeben hat. Eine Welle vom Windrosengetriebe ist gebrochen und verbogen. Wir vermuten Materialermüdung. Die Welle hat über 35 Jahre gehalten und ist Anfang diesen Jahres gebrochen. Auf die Welle wirkt bei Windänderungen eine große Kraft, mal aus der einen Richtung und mal aus der anderen Richtung. Diese ständige Richtungswechsel können das Material mürbe gemacht haben.
Die Bruchstelle ist an dem kleinen Ritzel, welches die Kappe in den Wind dreht. Mit den Zähnen greift das Zahnrad in den Zahnkranz auf der Turmoberkante.
Der Schaden ist uns im Januar aufgefallen. Durch ungewöhnliche Geräusche aus der Kappe wurde ein Vereinsmitglied aufmerksam. Durch die gebrochene Welle kann die Kappe nicht mehr automatisch in den Wind drehen. Wir haben alles sofort gesichert. Nun kann sich die Windrose nicht mehr drehen, die Kappe ist fest und da wir die Spanngurte über die Flügelwelle gezogen haben, kann sich auch das große Flügelkreuz nicht mehr drehen.
Durch diese Sicherung kann nun kein weiterer, größerer Schaden mehr entstehen. Da Die Kappe liegt nur auf dem Turm auf. Im Normalfall trifft der Wind immer von vorne auf die Kappe und drückt sie praktisch auf den Mühlenstumpf. Kommt der Wind aber von hinten (die Mühle dreht sich im Augenblick nicht automatisch in den Wind), kann sie theoretisch abheben. Um dies zu verhindern, haben wir die Mühle sozusagen festgezurrt.
Vor gut 100 Jahren ist der Mühle schon einmal so etwas passiert. Damals ist die Kappe auf dem Feld neben der Mühle gelandet.
Danach hatte die Mühle bis 1986 keine Kappe mehr. Lesen Sie dazu mehr in unser Mühlengeschichte, „Die Mühle verliert ihre Kappe“.
So ein Schaden sollte nicht wieder geschehen.
Jetzt musste die gebrochene Welle mit allen Zahnrädern geborgen werden. Dazu bauten wir eine Hilfskonstruktion aus Balken. Mittels Flaschenzug und Spanngurten wurde die Welle Stück für Stück geborgen.
Außerdem wurden noch die drei Lager der Welle abgeschraubt.
Bei den Arbeiten mussten wir gut aufpassen, da die Kappe an der Stelle zur Zeit keinen Boden hat.
Im nächsten Schritt wurde die alte Welle am Zahnrad abgeflext um sie aus dem Zahnrad ausbauen zu können. Über 30 Jahre enge Verbindung zwischen Welle und Zahnrad sind nicht so einfach zu lösen.
Um die Welle aus der Zahnradachse zu entfernen haben wir mit einer Magnetbohrmaschine mehrere Löcher in den Wellenrest gebohrt, um die Spannung zu vermindern. Dazu musste das Rad vorher mit einem zweiten Flaschenzug in die Waagerechte gebracht werden. Es wiegt geschätzt ca. 100 kg.
Die an diesem Samstagvormittag produzierten Bohrspäne füllten hinterher einen ganzen Baueimer. Mit reichlich Schmierung konnten so einige Bohrungen gesetzt werden. Durch die vielen nebeneinander liegenden Bohrlöcher verliert die Welle in der Achse ihre Spannung/Druck und gibt so unter Zugabe von reichlich Rostlöser irgendwann ihren Widerstand auf und lässt sich aus dem Zahnrad drücken, schlagen, ziehen (so zumindest der Plan!).
Das Endstück der Welle am großen Zahnrad musste ein weiteres Mal abgesägt werden.
Ein weiterer Arbeitstermin war erforderlich. Die Welle wollte sich nicht lösen und aus dem großen Zahnrad entfernen lassen. Das Aufbohren, um die Welle in dem Zahnrad zu entspannen, hatte noch nicht zum Ziel geführt. Zwischen den Arbeitsterminen wurde die Welle immer wieder mit Rostlöser eingestrichen. Weitere Bohrungen, das Abflexen von kleinsten Graten und die Ausdauer aller Mitarbeiter führten dann aber letztlich doch zum Erfolg. Nach einigen Anstrengungen bewegte sich das Wellenstück schließlich doch noch und wir konnten es aus dem Zahnrad herausschlagen.
Der Wellendurchlass ist frei. Das kurze aber widerspenstige Wellenstück mit Teilen des Lagers zeigt sich hier noch ein letztes Mal (bevor es im Schrott verschwindet).
Als nächstes ging es wieder an das kleine Zahnrad. In dem Bild links ist
noch mal die Bruchstelle an dem kleinen Zahnrad zusehen. Das Ritzel
wurde mit Papiertüchern umwickelt, damit sich in dem anhaftenden
Schmiermitteln keine Dreckpartikel einarbeiten und auch als Schutz für
die Arbeiter.
Auch dieses Wellenstück musste schließlich nach intensiver und innovativer Bearbeitung aufgeben und das kleine Ritzel verlassen.
Beide Zahnräder sind jetzt frei, die gebrochene Welle ist raus. Die Zahnräder sind beide in einem guten Zustand und können wieder verwendet werden. Jetzt kann die neue Welle wieder eingebaut werden.
Alle Zahnräder und der im Mühlenstumpf eingebaute Zahnkranz sind bei dem Wellenbruch unbeschädigt geblieben, so dass sie wieder verwendet werden können. Dies ist auch sehr gut, da die Teile neu gegossen werden müssten und der Zahnkranz nur durch Abnahme der Mühlenkappe hätte erneuert werden können.
Auch die drei Lager der Welle sind durch den Wellenbruch beschädigt. Jede Lagerunterschale ist gebrochen und es sind Stücke vom Gehäuse heraus gebrochen. Neue Lager mit komplett neuem Innenleben sind inzwischen bestellt, aber auch hier sind wir durch die zur Zeit überall vorkommenden Lieferzeiten zum Warten gezwungen.
Die Arbeiten werden in den nächsten Wochen weitergehen. Die neue Welle ist auf jeden Fall schon einmal vor Ort und wurde uns sogar von dem Hersteller kostenlos überlassen. Dafür an dieser Stelle nochmals ein ganz herzliches Dankeschön!
Die neuen Lager für die Windrosenwelle sind mittlerweile auch
angekommen. Es handelt sich um ein Festlager und zwei Loselager. So
werden evtl. Ausdehnungen und kleine Ungenauigkeiten problemlos
verarbeitet. Wir haben die Lager noch vorbereitet und jetzt warten sie
auf den Einbau in der Kappe. Alleine diese drei Lager haben einen Wert
von 1.000,– Euro.
Am nächsten Arbeitstermin sollte die neue Welle samt der beiden Zahnräder und der drei Lager eingebaut werden. Dafür musste zunächst die Welle nach oben getragen werden. Mit zwei starken Personen und innovativer Haltetechnik konnte die Welle, trotz des schweren Gewichts, gut in die Kappe getragen werden.
Oben angekommen, war der nächste Schritt das große Zahnrad mit dem Flaschenzug wieder von der waagerechten Ausrichtung zurück in die Senkrechte zurück zu bewegen.
Nun konnten die drei Lager eingebaut werden. Wir brauchten noch ein paar Bleche zum unterlegen, um die neuen Lager wieder in genau der gleichen Position wie die alten Lager anzubringen.
Bei diesen Arbeiten war es wieder wichtig gut aufzupassen, da die Arbeiten in luftiger Höhe und ohne durchgehenden festen Boden stattfanden.
Die Lager wurden mit jeweils zwei M16 Bolzen an die Balken befestigt.
Danach kam der spannende Augenblick: Passt die Welle in die Zahnräder oder haben wir auch hier wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Aber ab und zu muss man auch mal Glück haben. Durch präzise Vorgaben und exakte Ausführung passte die Welle ganz genau in die Aussparung des Zahnrades. Es war nur ein wenig Schmieröl erforderlich und schon waren beide Zahnräder wieder auf der neuen Welle.
Bevor es weiter ging, musste die genaue Vorgehensweise und Reihenfolge noch einmal überdacht werden.
Das mittlere Rollenlager ist auf die Welle geschoben. Hier ist es allerdings noch nicht richtig zusammengebaut. Wie das so ist, wenn man etwas zum ersten Mal macht, macht man es auch öfter mal zweimal oder dreimal, bis alles passt. So war es auch hier. Aber mit Überlegen, Kombinieren und nochmaligem Nachlesen der Einbauanweisung sind auch wir letztlich erfolgreich gewesen.
Danach konnte die Welle langsam in die drei Lager abgesenkt werden. Hier sieht man noch einmal das kleine Ritzel, welches auch ca. 15 kg auf die Waage bringt.
Am anderen Ende der Welle ist das äußerste Lager. Dieses Lager ist mittlerweile korrekt zusammen gebaut. Die Welle endet hier kurz vor der Klappe, die einem die Möglichkeit gibt, auf die Mühlenkappe zu steigen bzw. die Windrose zu warten.
Während sich die Welle langsam in die Lagerschalen senkt ist auch zu
erkennen, wo die beiden Zahnräder genau auf der Welle positioniert
werden müssen. Kleine Korrekturen werden aber noch erforderlich und mit
entsprechendem Werkzeug rutschen die Zahnräder dort hin, wo man sie
braucht.
Hier liegt die komplett zusammengebaute Welle bereits in der unteren Lagerschale. Wir haben uns dafür entschlossen das mittlere Lager als Festlager zu verwenden. Dazu wurden schon mal die erforderlichen Ringstücke eingebaut.
Gegen Ende des Arbeitstages sah alles schon recht gut aus. Die Welle war
ausgerichtet und erste Testdrehungen ließen auf ein baldiges Ende der
Baustelle hoffen. Aber dann mussten wir bei den Testdrehungen
feststellen, das der ganze Windrosenbock sich bewegt. Bei jedem
Richtungswechsel verschob sich die Welle um einige Zentimeter nach
rechts bzw. links. Das geht allerdings garnicht. Bei solchen
Voraussetzungen hilft auch das Ausrichten der Welle nichts. Dieser
Fehler muss erst noch behoben werden.
Eigentlich wollten wir die Reparatur der Welle für den Mühlentag am 6.6. beendet haben. Wir waren auch kurz davor, aber jetzt entdeckten wir bei genauerem Hinsehen auch noch, dass sich ein Balken der Mühlenkappe (Kenner bezeichnen ihn als „Kurzsprüt“) ca. 3 cm abgesenkt hatte. So können wir die Mühle natürlich nicht laufen lassen. Wer weiß, was alles noch passieren kann und dann auch noch, wenn Besucher anwesend sind. Also wurde eine neue Baustelle aufgemacht. Der Balken musste gesichert werden.
Kurzentschlossen wurde aus dem uns zur Verfügung stehenden Material ein
Balkenschuh geschweißt, mit dem der abgesenkte Balken dann gesichert
werden konnte.
Der Balkenschuh wurde von aussen an der Windmühle hochgezogen. Hier ist er schon fast in seiner endgültigen Position.
Von oben wurde der Balkenschuh dann festgeschraubt. Dadurch wurde der Balkenschuh angehoben und mit ihm hob sich auch der abgesenkte Balken.
Vom Hof aus fällt das neue Bauteil kaum auf, doch die Wichtigkeit ist umso entscheidender.
Zwischen
dem Erkennen des Missstands und der Reparatur waren hier wohl keine zwei Stunden vergangen. Manchmal geht es auch schnell im Mühlenverein. Da sich durch das Anheben des Balkens aber jetzt das ganze Gefüge der Mühlenkappe wieder etwas geändert hat, hätte als nächste Arbeit die gerade eingebaute Welle wieder neu ausgerichtet werden müssen. Da der samstägliche Arbeitstag aber mittlerweile schon auf 17 Uhr zuging entschieden wir uns schweren Herzens, die Reparatur vorerst abzubrechen und den Mühlentag ohne drehende Flügel durchzuführen.
Durch urlaubsbedingte Abwesenheiten konnten wir erst am 6. August die Reparaturarbeit wieder aufnehmen. An diesem Termin sollte jetzt die Arbeit in der Kappe abgeschlossen werden. Die neue Welle wurde dazu noch einmal genauestens ausgerichtet. Das eine Lager musste wieder ein Stückchen tiefer gesetzt werden, dafür dann das andere Lager entsprechend höher gesetzt werden. Von uns angefertigte dünne Unterlegplatten erfüllten hier ihren Zweck. Nachdem wir mit der Ausrichtarbeit zufrieden waren wurden die Lager festgezogen, mit Fett aufgefüllt und mit dem Deckel verschlossen. Wir hoffen, dass wir da so schnell nicht wieder ran müssen.
Jetzt mussten alle Sicherungsmaßnahmen wieder zurückgebaut werden. Die Windrose, die von uns festgelegt worden war, wurde von ihren „Fesseln“ in Form von Spanngurten wieder befreit. Dabei wurden gleichzeitig alle Schrauben kontrolliert und ggfs. nachgezogen. Eine ordentliche Portion Schmierfett wurde den Zahnrädern ebenfalls noch spendiert.
Innerhalb der Kappe musste der behelfsmäßig errichtete Lagerbock wieder abgebaut werden und die einzelnen Balken wieder nach unten gebracht werden. Nachdem dann auch das Werkzeug langsam wieder die Kappe verlassen hatte wurde die Windrose wieder eingekuppelt und für den normalen Betrieb wieder freigegeben. Nachdem die Mühle fast 7 Monate stillgestanden hat, drehte die Windrose die Kappe jetzt wieder mit der Kraft des Windes. Der gesamte über dem Mühlenstumpf verlaufende Zahn- und Gleitkranz war vorher selbstverständlich ebenfalls noch einmal geschmiert worden. Die Windrose verrichtete ihre Arbeit zu aller Zufriedenheit und die Kappe drehte langsam Richtung Nord.
Zum Laufenlassen der Flügel war allerdings kein ausreichender Wind vorhanden, so dass wir die Inbetriebnahme der Mühlenflügel auf einen späteren Termin verschieben mussten. Aber alle an dem Projekt beteiligten Helfer (in diesem Falle fast nur ehrenamtliche) waren mit dem Ergebnis zufrieden. Auch wenn die Reparatur etwas länger gedauert hat, so können wir aber mit Stolz sagen, dass wir alles selber erledigen konnten. Außerdem sind dem Mühlenverein dadurch erhebliche Kosten erspart worden.
Der Mühlenverein sagt allen Beteiligten herzlichen Dank.
Jetzt zeigt sich die Mühle wieder so, wie es vorher war. Die neue Welle mit den beiden Zahnrädern liegt an Ort und Stelle und die Hilfskonstruktion ist abgebaut. Die Kappe bietet wieder entsprechenden Platz für Mühlenführungen. Auf dem rechten Bild ist die neue Welle von unten fotografiert. Das kleine Ritzel greift in einen Zahnkranz, der oben auf dem Mühlenstumpf angebracht ist. Dieser Teil der Welle ist durch den Boden verdeckt.
Glück Zu wünscht der Mühlenverein Windmühle Lechtingen e.V.
Danke für die spannenden Einblicke mit den vielen Fotos! Die Mühle gibt Eurem Ort wirklich eine tolle Kulisse!
Eine sehr interessante und außergewöhnlich umfassende Beschreibung der Reparaturarbeiten. Großartige Leistung.
Ebenfalls bemerkenswert ist Don Quichote der auf eure Mühle schon so lange zu reitet